Die Geschichtliche Entwicklung des Klootschießens
Das Spiel hat sich im Küstenbereich seit Jahrhunderten von Generation zu Generation übertragen und weiterentwickelt. Da schriftliche Unterlagen über den Ursprung des Klootschießens und Boßeln nicht vorliegen, sind Forscher auf mündliche Überlieferungen und Zufallsfunde angewiesen.

Vielleicht war es der Spieltrieb der Friesen, der wie bei fast allen Sportarten auch Pate für das Klootschießen gestanden hat. Ein Kiesel oder ein aus Lehm- oder Marschboden handgeformter runder und an der Sonne getrockneter oder im Feuer gebrannter "Klut" (hochdeutsch: Kloß), diente zum Werfen.

Im Laufe der Jahrhunderte stellten die Friesen fest, dass diese Wurfgeschosse vorzüglich geeignet waren, eindringliche Seeräuber und Eroberer in die Flucht zu schlagen. Für den Ernstfall mögen die Küstenbewohner sich durch spielerische Vorbereitung gerüstet haben, zum Beispiel in dem sie ein Depot anlegten und alle Familienmitglieder, auch Frauen und Kinder, das ziel- sichere und möglichst wuchtige Werfen mit den Kleikugeln (Klei=Marsch) üben ließen.

Angeblich hat der römische Geschichtsschreiber Tacius (55 bis 120 n.Chr.) seinem Kaiser berichtet, dass die Küstenbewohner die römischen Eindringlinge mit in der Sonne gebrannten Lehmkugeln abgewehrt haben. Feuerwaffen haben den Einsatz des Klootes als Verteidigungs- mittel entbehrlich gemacht, das Klootschießen aber blieb erhalten als Spiel.

Eine weitere, urkundlich nicht bestätigte Version sagt aus, das die Küstenbewohner mit Kugeln, die an einem 40 Meter langen Hanf- oder Binsenseil befestigt waren, bei Flut Treibholz und Strandgut aus der Brandung herausholten.

In den armen Küstenregionen gehörte die Bergung von Strandgut, aber auch Seeraub zu den gewöhnlichen, nicht zu den verwerflichen Betätigungen. Die Inbesitznahme von Strandgut galt als gutes Recht, besonders in Ostfriesland. Interessant in diesem Zusammenhang mag sein, dass auch die Eskimos diese Methode des "Lassowerfens" anwenden, um erlegte Robben in Besitz zu bekommen.

Sicher haben mehrere Umstände zusammengewirkt, damit das friesische Volksspiel Kloot- schießen im Bereich der Marschen und Deiche entwickeln konnte. Aus der Verteidigungswaffe oder dem Bergungsgerät wurde in Laufe der Jahrhunderte ein Spielobjekt, dass im friedlichen Wettstreit mit anderen Werfern eingesetzt wurde. Allerdings waren die Begleitumstände dieser Wettspiele oft weniger friedlich, so dass sich Gerichte, Ämter, Kirchen und Landesfürsten mit unliebsamen Vorfällen beschäftigen mussten. Auch wurden Dörfern auf dem Sandboden in der Regel die breiten "Heerwege" für das Üben beziehungsweise für die Wettkämpfe benutzt, die zwischen Hof und Hof, zwischen Familie und Familie, zwischen Dorf und Dorf ausgetragen wurden. (Das Passanten dabei nicht selten unliebsam belästigt, das heißt angeworfen wurden, lässt sich leicht denken.)

Mehrfach mussten früher das Militär oder die Gendarmerie aufgeboten werden, um die bei den Spielen entstandenen Unruhen zu schlichten. Eine Eintragung in dem ältesten vorhandenen Landgerichtsklagebuch im Staatsarchiv zu Aurich aus dem Jahre 1510 legt Zeugnis darüber ab, dass in Emden ein unachtsamer Spieler den Wirt mit dem Kloot gegen den Kopf geschossen hatte und so dem Kröger (Gastwirt) ein blaues Auge und zwei blutige Stellen am Kopf verschaffte. Die Holzkugel war im Laufe der Jahrzehnte mit einem Bleikern beschwert worden und hatte bei dem Wirt schmerzhafte Folgen hinterlassen.

Da zu Beginn des 18. Jahrhunderts bei den Klootschießerwettkämpfen auch stark gewettet wurde - um Tonnen von Bier oder Krüge von Schnaps -, waren Saufereien und schwere Schlägereien bei Zuschauern und Aktiven nicht ganz unüblich. Bei den Friesen galt die geballte Faust als wahrhaft schlagendes Argument, sie erst verlieh der eigenen Meinung oft den nötigen Nachdruck. Sicher wird es auch trotz fester Spielregeln Streitigkeiten um die Gültigkeit eines Wurfes oder um die Bezahlung der vorher vereinbarten Siegprämie gegeben haben. Dem Alkohol wurde eifrig zugesprochen, Gründe dafür gab es genug. Sei es in den Wintertagen das kalte Frostwetter, sei es der Sieg oder die Niederlage nach dem Wettkampf. Raufereien, Verwundungen und sogar tödliche Verletzungen außerhalb der eigentlichen Spiele waren Grund für die Behörden einzugreifen. Durch behördliche und fürstliche Verordnungen, die teilweise von den Kanzeln der Kirchen verkündet wurden, mussten die Spiele vorübergehend verboten werden.

Trotz dieser klaren Verbote ließen es sich die Friesen ihr Nationalspiel nicht nehmen und setzten es mit weniger Spektakel fort, später sogar von der Obrigkeit geduldet. Vorübergehend mussten die Wettkämpfe einige Tage vorher bei den Amtsverwaltungen zur Genehmigung angemeldet werden. Es kam zu einer immer größeren Verbreitung dieses Volksspiels und es entwickelte sich zu einer besonderen Volksbelustigung, für die sonst vom damaligen Leben auf dem Lande und am Meer nicht besonders verwöhnten oder bevorzugten Menschen an der Nordseeküste.

 

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